Die Etappen im Coachingprozess - Zweifel

Wer sich für eine Veränderung oder ein Ziel entschieden hat, fährt anfangs noch mit gebremsten Schaum.

Die Preise der Veränderung, die Ungewissheit der Zielerreichung und auch Unklarheiten sorgen für ein eher bedachtes Tempo. In Summe betrachtet ein ganz normales und menschliches Verhalten.

 

Wenn die ersten Unklarheiten beseitigt und klare, attraktive Ziele definiert sind, kommt schon deutlich mehr Tempo in die Aktivität. Meist erfolgt das schon nach der zweiten oder dritten Sitzung. Je nachdem, in welcher Situation der Klient steckt und auch abhängig von der Beziehungstiefe, kann das mal länger, aber auch kürzer dauern.

Ich habe Fälle gehabt, da wusste ich nach mehreren Sitzungen noch nicht genau, wann der Prozess produktiver wird.

Und dann wiederum, reichte es bereits am Anfang aus, den Klienten zu spiegeln und schon ging es quasi von alleine.

Jeder Klient ist eben anders und das ist für mich das Spannende daran. 

 

An verschiedenen Stationen kann es beim Klienten zu Zweifeln kommen.

Die sind meist unterschiedlich gelagert. Das kann an sog. Glaubenssystemen liegen.

Hier spielen Überzeugungen und Aussagen eine große Rolle, wie z.B. "schaff ich das?" oder auch "geht das?" bzw. "geht das gut?". Auch andere Qualitäten spielen hier rein, wie z.B. mögliche Ängste vor Konsequenzen der Zielerreichung oder Veränderung, den sog. Preisen der Veränderung.

 

Egal, woher diese Zweifel kommen, haben sie alle ihre Berechtigung. Denn Zweifel machen einem bewußt, dass anfänglich oder mitten drin im Prozess immer wieder Entscheidungen getroffen werden müssen. In dem Wort Entscheidung steckt auch das Wort Scheidung drin. Man lässt also etwas los bzw. nimmt etwas anderes an.

So ist es auch bei dem Wort Zweifel. Dieses kann man auch aufspalten in zwei Fälle.

 

Zweifel sind gut, um permanent zu überprüfen, welche "Gefahren" es gibt oder welche Ressourcen noch notwenig sind. Zweifel können gute Ratgeber sein, eben zu schauen, was es noch braucht, um die Veränderung weiter zu gehen.

Zweifel sind hilfreich, wenn man seinen Fokus dabei auf das Ziel ausrichtet und nicht zu sehr zurückschaut.

Zweifel sind dann destruktiver Natur, wenn sie einen von der Handlung abhalten und ins Grübeln bringen.

Dann kann es passieren, dass man auf der Stelle tritt. Dieser diffuse Zustand der Stagnation kann dazu führen, dass man zwischen den beiden Seiten hin- und hertitscht. Dieses Verhalten frisst Energie und Motivation und kann auch die Angst vor der Veränderung erhöhen. Möglicherweise löst das Verharren darin auch einen Kreislauf aus, den es frühzeitig zu durchbrechen gilt.

 

 

Wenn ich mit für das Alte entscheide, muss ich das Neue loslassen. Wenn ich mich für das Neue entscheide, muss ich das Alte loslassen. Wenn ich nach Vorne gehe, hilft es ein Ziel-Bild zu haben und darauf zu vertrauen.

 

Aber nun, wie geht man denn mit Zweifeln um? Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten.

 

Manchmal reichen erklärungstheoretische Ansätze wie das o.a. Fluss-Diagramm und die gemachten Erläuterungen.

Diese reichen aus, um Erkenntnis-Prozesse in Gang zu setzen.

 

Eine weitere Möglichkeit ist ein besonderer Umgang mit den Zweifeln. Die Grundidee stammt von der sog. Inneren-Teile-Arbeit oder auch Inneres Team genannt. Jeder von uns hat mehrere Stimmen in sich. Diese vertreten viele Eigenschaften und Qualitäten. Z.B. gibt es einen vorsichtigen Anteil in uns, oder auch einen draufgängerischen. 

Es gilt, Zweifel immer dann wertzuschätzen, wenn sie auftauchen. Dies kann in Form eines inneren Dialogs ablaufen.

Man bedankt sich bei ihnen, da sie ja gut gemeint sind. Sie wollen ja auch vor irgendetwas schützen.

Im Coaching reden wir auch von einer positiven Absicht, die eben auch gewürdigt werden muss.

Diese innere Kommunikation mit ihnen sollte einem wertschätzenden Umgangston gleichen.

Wenn das gelingt, werden diese leiser. Ganz verschwinden werden Zweifel nicht. Und das ist auch gut so.

Man kann sie an anderer Stelle sicherlich noch brauchen. Wichtig dabei ist Wertschätzung.

Verdrängen oder ignorieren sorgen nur dafür, dass sie lauter werden oder an anderer Stelle mit mehr Wucht zurückkommen.

 

Eine weitere Möglichkeit ist Humor. Humor ist eine wundervolle Methode zur Distanzierung.

Man nimmt die Zweifel zwar ernst, sieht sie aber in einem witzigen Licht.

Hierzu hilft Storytelling. D.h. als Berater begleitet man den Klienten mit Beispiel-Geschichten, die nützlich sein können.

Es gibt in der psychologischen Literatur oder auch Comedy viele Geschichten, wie Zweifel eben als kleine aber witzig-wichtige Begleiter angenommen werden können, ohne ihnen zu viel Gehör zu schenken.

Paul Watzlawick mit seinen Übertreibungen z.B. zeigt immer wieder auf, wozu u.a. der "Sicherheits-Gedanke" führen kann.

Aber auch andere dienen als Quellen für humoristische Haltungen.

 

Deutlich ernsthaftere Geschichten und Weisheiten zum Thema Zweifel liefert die Bibel.

Ich zitiere hier gerne die Geschichte von Loth. Hier werden die Konsequenzen des Stehen-Bleibens und Zurück-Schauens sehr deutlich erklärt.

 

Aber auch viele uns bekannte Lebensweisheiten geben auch Denkanstöße, wie man mit Zweifeln umgehen kann.

 

Ich schaue mir bei Zweifeln natürlich die Persönlichkeits-Struktur des Klienten an.

Auf welche Anregungen könnte er anspringen? Welche Impulse oder Inspirationen fördern eine gelassene und empathische Haltung zu Zweifeln. Hierzu hinterfrage ich welche Überzeugungen, Haltungen oder Werte, aber auch Stärken angesprochen und genutzt werden können.

 

Und dann spielt immer auch die Beziehungs-Ebene des Coachs zum Klienten eine Rolle.

Hier spielt Vertrauen mit die größte Rolle. Als Coach erarbeitet man mit dem Klienten ein realistisches und machbares Ziel, das den Klienten nicht überfordern soll. Wenn das als Grundlage vorhanden ist, kann der Coach auch dem Klienten sein Vertrauen entweder direkt mitteilen oder spüren lassen. Wenn Vertrauen gegeben wird, wenn Vertrauen da ist, dann fördert das die Entwicklung des Klienten.

Die förderliche Haltung und seine Wirksamkeit nennt sich auch "Rosenthal-Effekt".

Und das ist die letzte mir bekannte Möglichkeit, Zweifel beim Klienten zu vertreiben.